„Es gibt schlimmere Beleidigungen als Frauenversteher“ – Michel Birbæk im Interview

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„Wie konnte Verliebtheit bloß eine solche Ikone werden? Sie ist der Grund für die idiotischten Handlungen meines Lebens. Wäre sie verpackt, müsste eine Warnung drauf Michel Birbaekstehen: Achtung! Diese Hormonstörung verursacht Beziehungen, die zu gesundheitlichen Schäden führen können!“ – so heißt es am Anfang von „Die Beste zum Schluss“, dem neuen Roman von Michel Birbæk (die Rezension könnt ihr HIER lesen). Mads, 33, hat Liebeskummer und die Schnauze voll vom Verliebtsein: „… eigentlich gibt es nur ein Problem: falsche Partnerwahl durch Verliebtheit. Niemand würde seine Organe spenden, Geld anlegen oder die Führerscheinprüfung machen, wenn er gerade randvoll mit Drogen ist. Aber für die Entscheidung, mit wem man sein Leben verbringen und vielleicht eine Familie gründen will, wird genau dieser Zustand als perfekt propagiert.“

Die RocknRoll-Reporter unterhielten sich mit dem Autoren, Ex-Sänger und gebürtigen Dänen  in seiner Wahlheimat Köln über die Liebe, das Schreiben und darüber, ob Dänen die besseren Männer sind.

 

RnR-Reporter: Man bekommt ja den Eindruck, dass Mads ganz schön desillusioniert über die Liebe ist.

Michel Birbæk: Nein, absolut nicht. Damit wir irgendwann damit anfangen können, die Milliarden an Singles, die wir in Europa haben, abzubauen, ist es wichtig, dass wir beziehungsfähiger werden. Dafür muss man wissen, wie eine Beziehung funktioniert.Und alles, was ich in „Die Beste zum Schluss“ beschreibe, ist der modernste Stand der Gehirnforschung. Das hat mit Desillusion nichts zu tun, das sind Fakten. Solange wir die ignorieren, werden wir weiterhin die falschen Partner aussuchen, seltsame Beziehungen führen, durchhängen und weiterhin denken, alle sind unfähig.Sobald wir anfangen, die Fakten anzuerkennen, bekommen wir mehr Werkzeug in die Hand, um bessere Partner zu werden

 

Aber Liebe ist ja nun mal keine Wohnungssuche.

Nein, aber wenn eine Beziehung nicht funktioniert, was nützt dir dann ein tolles Gefühl? Viktor in „Wenn das Leben der Strand ist, sind die Frauen das Mehr“ (der zweite Roman des Autors, Anm. d. Red.) bekommt ja am Ende auch das, was er braucht, und nicht das, was er will. Und das könnte uns allen gut tun – einfach mal aus den Mustern herausgezogen zu werden. Neulich habe ich die Kontaktanzeige von einem Freund gelesen und dachte: „Über wen redet der da?“ Ich kenne ihn seit 20 Jahre und er kam mit keinem Wort darin vor. Gut, dann geh los und such dir eine Frau, die zu der Annonce passt, aber nicht zu dir. Den Fehler machen viele.

 

Deine Hauptdarsteller scheinen ja immer sehr nah an Dir dran zu sein. Wie viele Prozent Michel sind da drin?

Ich versuch natürlich über Dinge, gerade Emotionen, zu schreiben, die ich kenne. Wenn ich eines Tages mal einen Roman schreiben soll, der so wirklich gar nichts mit mir zu tun hat, da bin ich selbst mal gespannt. Das wird wohl eher ein Krimi sein. Wobei der auch mit mir zu tun hat, aber eben anders. Paul in „Nele und Paul“ hat auf alle Fälle weniger von mir als z.B. Lasse in „Beziehungswaise“. Aber gleichzeitig hat Paul in seiner Haltung zur Mutter zu 100% die Beziehung, die ich zu meiner Mutter hatte. Ich bin aber auch nicht ganz so romantisch wie er, dass hab ich mir einfach mal gegönnt, das romantischste Buch meines Lebens zu schreiben.So gut bekomme ich’s nie wieder hin.

 

Worauf achtest Du bei einer Frau als erstes?

Kommt auf die Situation an. Wenn ich sie mit jemanden anderes sehe , dann achte ich darauf, wie sie mit demjenigen umgeht. Ich bin neulich mit einer Frau ausgegangen, weil sie so toll mit ihrem Sohn war.

 

Da sprichst Du dann auch einfach wildfremde Frauen an. Keinerlei Schüchternheit?

Ich habe ein gewisses Selbstbewusstsein. Auch wenn manche Frauen nicht total auf mich stehen, mögen sie mich erst einmal. Wieso auch nicht? Ich will ihnen ja nur Gutes!

 

Bei „Harry und Sally“ heißt es: „Frauen und Männer können keine Freunde sein“. Du glaubst aber schon, dass das funktionieren kann?

Natürlich. Meine Freundinnen müssen nur damit klarkommen, dass ich sie auch attraktiv finde. Wenn das ein Problem ist, können wir nicht befreundet sein. Ich kann nicht mit jemanden befreundet sein, den ich nicht attraktiv finde, jetzt unabhängig davon, wie er aussieht. Das führt in manchen Augenblicken immer dazu, dass ich meine platonischen Freundinnen irgendwie anhimmele – allerdings schlafe ich nicht mit ihnen. Aber verknallen kann ich mich immer hin und wieder in sie, weil ich sie einfach toll finde.

 

Du giltst ja als „Frauenflüsterer“ und das in einer Stadt, in der es gefühlte 80% Schwule gibt – Dir müssten die Frauen in Scharen nachlaufen.

Ich kann mich nicht beklagen.Es gibt viele tolle Frauen.

 

Sonnst Du Dich in dem Ruf als Frauenversteher oder nervt es Dich eher?

Es nervt mich, wenn ich darauf reduziert werde, ich bin schließlich auch nicht immer verständnisvoll. Aber es gibt wirklich schlimmere Beleidigungen als Frauenversteher. Ich hab es mir hart erarbeitet. Ich bin mit einer dominanten Mutter und zwei älteren Schwestern groß geworden. Für mich galt also von Anfang an: Wenn Du klar kommen willst, musst Du die Frauen verstehen. Übrigens: Ich verstehe ja auch manche Männer, nur das juckt keine Sau.

 

Kannst Du denn den Männern ein paar Tipps geben, damit das klappt mit dem Frauen verstehen?

Pauschal ist immer schwierig. Aber wenn ich einen Mann mit einer Frau sehe, kann ich manchmal schon sehen, was er anders machen könnte. Ich hab mir schon überlegt, in den Coachingbereich zu gehen, weil wir so viele Beziehungssünden begehen. Jeder denkt, es reicht, ein Gefühl zu haben, um eine guter Partner zu sein, aber es ist genauso ein Handwerk wie jedes andere.Und man kann’s lernen.

 

Schreib doch einen Beziehungsratgeber.

Es liegen Angebote auf dem Tisch, aber die Manager und Agenten sagen , niemanden juckts, dass du vielleicht der besten Liebesromanschreiber der westlichen Hemisphäre bist. Die medien brauchen Konflikte und Provokationen, also schreib das Buch „Deutsche Frauen können nicht blasen“, dann machen wir dich bekannt.

 

Du bist ja jetzt auch am Drehbuch der äußerst erfolgreichen Sat1-Serie Danni Lowinski beteiligt.

Wir schreiben gerade zweite Staffel. Es ist das erste Mal seit Jahren, dass ich für eine Serie im Deutschen Fernsehen schreibe, und echt Spaß habe. Gleichzeitig ist es schwierig, denn die Auswahl der Fälle ist ziemlich kompliziert.

Wir lästern in Deutschland immer über schlechte Drehbücher, schlechte Schauspieler, schlechte Filme. Dabei haben wir ein riesiges Potential – nur wir dürfen es nicht zeigen. Bei Danni Lowinski hat der Sender mal was riskiert. Annette Frier hat, finde ich die Rolle ihres Lebens. Und dann gibt es auf einmal auch gute Bücher, gute Schauspieler – und Erfolg.

 

Du schreibst jetzt also mehrere Sachen gleichzeitig: Dein nächstes Buch, das Drehbuch – wie schaffst Du es, da umzuschalten?

Mittlerweile geht es immer besser. Ich setz mir Blöcke. Jetzt habe ich zum Beispiel Romanwoche. Habe nochmal das erste Kapitel umgeschrieben und mir Gedanken über das Ende gemacht. Da ist dann auch egal, wer anruft, da schreibe ich Roman. Ab nächste Woche kommen wahrscheinlich Anmerkungen oder Änderungen zu Danni Lowinski zurück, dann muss ich da nochmal ran. Aber innerhalb eines Tages, da kann ich gar nicht umschalten.

 

Sehnst Du Dich nach der alten Zeit zurück oder bist Du mehr froh, von dem Schreiben auch leben zu können?

Ich hab lang genug ohne Geld gelebt, da freue ich mich natürlich über die Abwechslung. Ich habe mein Hobby zu meinem Job machen können – mein Jobby sozusagen – und das ist schon klasse.Daher bin ich froh, wie es läuft. Manchmal piekt der Künstler in mir, dann möchte ich lieber Kunst herstellen, wie es mir passt, und nicht, wie die Termine es verlangen.

 

Liegt dir die Disziplin im Blut oder hast Du sie dir antrainiert?

Ich war schon immer diszipliniert, ich weiß nicht warum. Auch als Kind schon.

 

Hast Du jemals darüber nach gedacht, wie Dein Leben verlaufen wäre, wärest Du nicht mit 12 Jahren nach Deutschland gekommen, sondern in Dänemark geblieben?

Ich denke selten zurück. Das lerne ich erst jetzt langsam Ich bin gegenwartsbezogen. Für die Vergangenheit hatte ich nie Zeit.

 

Wie gehst Du mit dem Älter werden um?

Das ich älter werde fällt mir eher durch mein Umfeld auf – und durch solche Fragen, die wurden mir früher nicht gestellt. Ok, mein Körper verändert sich, ich muss mehr tun, um fit zu sein. Aber ich lebe immer noch wie früher. Mach mein Ding.

Es ist eher die Frage, wie man als älter werdender Mensch in der Gesellschaft klarkommt. Der ganze Jugendwahn nervt zunehmend. Wir kicken Leute mit Berufs- und Lebenserfahrung weg für junge, dynamische, gutaussehende Ahnungslose, das ist eine Entwicklung, die ich ultraschlecht finde – und zwar für alle.

 

Deine Protagonisten sind alle so um die Mitte, Ende 30.

Der Verlag will nicht, dass die Helden zu alt sind, Alte Leute sind langweilig, heißt es. Ich hab von einem Magazin mal keine Besprechung bekommen, weil mein Protagonist zu alt war. Da sitzt dir dann eine 40-jährige Frau gegenüber und sagt dir, dass sie nichts machen kann, weil Dein 30-jähriger Held zu alt ist. Beim Alter drehen alle durch. Die Welt will nur noch neu-neu-neu und jung-jung-jung. Irgendwann haben wir Sperma als Präsident.

 

Apropos. Eigene Kinder hast Du nicht und willst Du nicht?

Nein. Ich war mal mit einer Frau mit Kindern zusammen und ich muss keine Kinder mehr lieben als diese. Ich brauch dieses Ego-Ding nicht. Es reicht, wenn ich sie liebe und sie mich und ich die Verantwortung für sie übernehmen kann. Das einzig negative ist die rechtliche Lage. Das kommt auch in „Die Beste zum Schluss“ und in „Wenn das Leben der Strand ist…“ vor. Die rechtliche Situation für die Leute, die in Patchwork-Familien leben, wird sich aber in den nächsten zehn Jahren ändern. Jetzt ist alles noch zu kompliziert. Und letztendlich dreht es sich nur darum, die Kinder zu beschützen.

 

Bist Du ein Vorbild?

Wenn ich das mal wüsste. Ich habe keine Angst, mich zu benehmen, wie ich bin, wenn ich mit Kindern zusammen bin und ich glaube, wenn ich das Gefühl hätte, ich wäre für die kein Vorbild, könnte ich das nicht. Aber ich war auch oft genug in meinem Leben kein Vorbild. Man muss ja immer viel ausprobieren und ein Teil davon ist eben falsch..

 

Du bringst nächstes Jahr zwei Kinderbücher heraus,

Das ist die Erweiterung einer Idee, mit der ich schon 150 mal auf der Bühne war – mit die besten Texte, die ich je geschrieben habe. Ich wusste, eines Tages muss ich etwas damit machen, und jetzt kam der Baumhaus-Verlag und hat mir eine Angebot gemacht, dass ich nicht ablehnen konnte.

 

 

Schreibst du denn besser, wenn du in einer Beziehung bist oder wenn du Single bist?

Kommt auf die Beziehung drauf an, darauf, ob Kinder mit im Boot sind. Aber in der letzten Beziehung konnte ich gut schreiben, auch weil sie so entspannt war. Wir hatten sehr viele Chill-Phasen zusammen, wo wir einfach nur genossen haben, und bei Frieden kann ich gut schreiben. Je älter ich werde, um so mehr merke ich auch, dass ich keine Stress-Frauen mehr brauche. Wenn ich schon höre „ich bin ein rassiges Reitpferd und du musst mich zähmen“ dann denke ich nur – geh auf die Wiese und lass mich in Ruhe. Ich brauch das nicht mehr. Ich kämpfe genug, ich muss nicht auch noch ständig in meiner Beziehung kämpfen.
 

 

Bevor Du das Schreiben angefangen hast, warst Du mit „Doc Koma“ und „Birbæk“ auf Tour.Was für Musik habt ihr damals gemacht?

Rock. Deutsche Texte. Gitarre. Geradeaus.

 

Also so typisch 80er Deutschrock?

Wir fingen als Deutschrockband an und bekamen aber immer mehr Soul-Elemente hinzu. Ich wurde dann Prince-Fan – meine Band hat mich gehasst dafür – und kam immer mit Tanzschritten an und „schwulen Klamotten“, wie die immer gesagt haben. War eine lustige Mischung. Ich war voll auf dem Tanztrip, der Gitarrist war voll auf dem Van Halen-Trip. Jeder Song hatte eine Dramaturgie, das war eine süße Sache. In Köln dann, mit „Birbæk“, da wurde nur noch draufgehalten, dass war einfach dreckig. So eine Mischung aus Rio Reiser und Red Hot Chili Peppers. Ich war nicht ganz so gut wie Rio Reiser, dafür war die Band nicht ganz so gut wie Chili Peppers, also passte das schon.

 

Im Internet ist aber auch wirklich gar nichts von den Bands zu finden.

Das ist, wie Helmut Kohl sagen würde, die „Gnade der späten Geburt“, in dem Fall der „frühen Geburt“. Die Kids heute – jeder Fehltritt von denen ist dokumentiert. Ich konnte in Ruhe jeden Mist machen und nichts, noch nicht mal meine Fernsehauftritte, sind dokumentiert – und da waren echt schlimme Sachen bei. Allerdings auch tolle – und die fehlen natürlich auch. Aber das ist ja wie beim Sex – man fühlt sich dabei besser als man aussieht. Daher kann man es auch gern ohne Film in Erinnerung behalten.

 

Aber es zieht dich nichts mehr hinters Micro?

Ich hatte nie eine wirklich gute Stimme und jetzt, wo ich 15 Jahre nicht gesungen habe, ist sie nicht besser geworden

 

Welche Musik sollte bei Deiner Beerdigung laufen?

Zur Zeit würde ich wahrscheinlich Jamie Cullum oder Solomon Burke auflegen und dann natürlich das übelste, geilste, Gitarren-Hardrock-Stück, dass ich auftreiben kann.

 

Welche Musik hörst Du beim Schreiben?

Die selbe, wie ich sie eben beschrieben haben, aber meistens bin ich gar nicht so multitaskingfähig ich brauch eher viel Ruhe. Mir reicht, was in meinem Kopf los ist. Da spielen manchmal mehrere Bands gleichzeitig.

 

Nach deinen Büchern und diesem Interview frage ich mich: Sind Dänen die besseren Männer?
Dänen sind einfach anders. Dadurch, dass die Emanzipation in Dänemark fortgeschrittener ist,fährst Du mit einigen Sachen, mit denen man hier als Mann noch durchkommt, da oben vor die Wand. Ich hab da mal mit Alice Schwarzer drüber geredet und sie meinte, der Grund, warum die Gleichberechtigung in Deutschland so langsam wäre, wären nicht die deutschen Frauen, sondern die deutsche Mentalität, dieVeränderungen nicht gerne so schnell annimmt.

 

Also bist Du ein Vorbild für deutsche Männer?

Im Prinzip kann man von jedem Menschen lernen.Oft lerne ich von Leuten, die gar nicht wissen, wie toll sie sind. Häufig sind das Frauen. Irgendwas stimmt mit eurem Selbstwertgefühl nicht. Deutsche Frauen sind viel besser, als sie glauben.

 

Das möchte ich doch gern als Schlusswort stehen lassen. Vielen Dank für das Interview!

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Mehr über Michel Birbæk gibt es auf seiner Website www.birbaek.de.

 

Copyright für Text und Fotos: Silke Brembt
Jede Verbreitung nur nach Absprache.

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