Daniel Kehlmann: Ruhm

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„Geschichten in Geschichten in Geschichten. Man weiß nie, wo eine endet und eine andere beginnt! In Wahrheit fließen alle ineinander. Nur in Büchern sind sie säuberlich getrennt.“ Zum Schluss von „Ruhm“ wirft Daniel Kehlmann einen ironischen Blick auf sein eigenes Werk, auf sich, als Autoren. Neun Episoden weben eine Geschichte; „ein Roman aus neun Geschichten“, wie es der Untertitel ankündigt.
In Verschmelzungsvorgängen ist Kehlmann ein Könner. Der Kunstkritiker Sebastian Zöllner drängt sich in „Ich und Kaminski“, mit dem Kehlmann der internationale Durchbruch gelang, in das Leben des Malers Manuel Kaminski. In „Die Vermessung der Welt“, dem erfolgreichsten seiner Werke im deutschsprachigen Raum, verzahnen sich die Biographien der Forscher Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauß, und nun, mit „Ruhm“, das nicht von allen Kritikern mit Wohlwollen besprochen wurde, verschlingt sich ein Buch selbst und mit ihm den Leser. Nicht zu Unrecht Platz 1 in den Bestsellerlisten von Spiegel und Focus. Mit leichten Reality-Shortstorys vorgefühlt, dann verwickelt in Momentaufnahmen mit rasendem Erzählschlag, entlässt der Schriftsteller den Konsumenten zuletzt in einem meisterlichen Geschichtskoitus. Dabei bleibt er all seinen Markenzeichen treu: Erfundene Charaktere, die dennoch nahezu jedem Menschen bekannt vorkommen, doch an die Grenzen ihrer konstruierten Realität stoßen – und in „Ruhm“ sogar innerhalb dieser in die Fiktion entfliehen. Außerdem neu: Naheliegend ist, dass der Roman mit dem Titel „Ruhm“ und der Figur des verschrobenen Schriftstellers Leo Richter doch auch etwas mit dem Autor selbst zu tun hat. Gleichzeitig hat sich Kehlmann dem „Vorwurf“ der realistischen Erzählung gegenüber der „Vermessung der Welt“ – wie oft betonte er doch, dass es sich keinesfalls um einen historischen Roman handele – entzogen, indem er weniger Fakten, stattdessen mehr Leben hineinbrachte. Leider aber auch ein wenig Witz subtrahierte. Bei mir verstaubt das Büchlein zukünftig im Regal, erinnern werde ich mich seiner aber gewiss, beiläufig, wie viele Auflösungen Kehlmanns Vernetzungen. Daniel Kehlmann, immer noch ein junger Autor mit großer Zukunft, hat glücklicherweise niemandem den Gefallen getan, einem Bestseller den erwarteten Absturz nachzuliefern. Fazit: Womöglich – um einen Genrevergleich zu ziehen – nicht ganz so bedeutend wie einst Ingo Schulzes „Simple Storys“, aber lesenswert, wie auch die Kehlmannschen Vorgänger (wie Nachfolger). Und deshalb möchte ich über den weiteren Inhalt hier auch keineswegs mehr verraten.
Rowohlt Taschenbuch, Nov 2010, 8,95 Euro


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