Review: Sticky Finger – Joe Hagan

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51YoSyImTCL. SX323 BO1204203200 Wer eine Biographie in Auftrag gibt, rechnet am Ende des Tages meist damit, dass sie ihm ohne Vorbehalte gefallen wird. Ist das dann nicht der Fall und das Werk wird dennoch veröffentlicht, wie es ist, werde zumindest ich besonders neugierig. Genau das ist nämlich mit Jann Wenners Biographie geschehen. Wer Jann Wenner nicht kennt, hat seine Popkultur-Hausaufgaben nicht gemacht. Wenner hat mit dem Rolling Stone-Magazin die Gegenkultur in den 70ern begleitet, hat Annie Liebovitz groß heraus gebracht, war „best friends“ mit John Lennon, bevor dieser bis zu seinem Tod nicht mehr mit Wenner gesprochen hat. Das Rolling Stone-Magazin hat Hunter S. Thompson schreiben lassen, den Gonzo-Journalismus etabliert, Lester Bangs und Cameron Crowe in die Welt gelassen (Letzterer hat seine persönliche Geschichte als junger „Rolling Stone“-Reporter später im grandiosen Film „Almost Famous“ erzählt), hat Amerika in einer Ausgabe auf links gedreht, um es in der nächsten wieder auszukotzen.

Kurzum: Wenner hat eine Ikone der Popkultur erschaffen. Wenner ist eine Ikone der Popkultur, des Journalismus. Das ist nun mehr als 50 Jahre her. Im November 1967 startete sein Heft mit einem Foto seines Idols John Lennon auf der Titelseite und den Abonnenten wurde ein Clip beigelegt, mit dem man Joints halten konnte. The times they are a changin…

1976 erreichte das Magazin eine Auflage von einer halben Million Exemplare, 1985 krachte es durch die Millionengrenze. Dann kommt es, wie es kommen musste: Die Dekadenz hält Einzug. Dicke Häuser, koksschwangere Reisen in schicken Jets, Karibikurlaub mit Mick Jagger, Exzesse im Studio 54. Stoff für ein gewaltiges Buch also. Ein Buch, das Joe Hagan schreiben sollte. Als dritter Autor, denn zwei waren zuvor schon an Wenner gescheitert. 

Hagan hat für das Wall Street Journal, den New York Observer und auch für den Rolling Stone gearbeitet und Features und investigative Stücke über Hillary Clinton, Henry Kissinger, Dan Rather, Goldman Sachs und die Bush-Familie geschrieben. Trotzdem fand er selber nicht, dass er erste Wahl für eine Biographie über seinen Ex-Chef sein könnte. Doch es kam genau so.

Lange wurde gerungen: Wenner wollte Einblicke, wollte vor allem über sein Sexleben nichts lesen, was ihm nicht gefallen könnte (Wenner hatte seine Homosexualität 30 jahre lang verheimlicht), doch Hagan rang ihm Autonomie ab. Hagan unterhielt sich hunderte Stunden mit Wenner, mit dessen Freunden, ja mit den Stars, die den Rolling Stone zum Rolling Stone gemacht hatten. Am Ende kam eine Biographie heraus, die Wenner ablehnt, die aber faszinierender nicht sein könnte. 

Seien es kleine Geschichten über die Stars, seien es journalistische Höhepunkte in den Blättern, seien es private Schlüpfrigkeiten, viel Sex, mehr Drugs, am meisten Rock ’n‘ Roll – Sticky Fingers, erschienen im Rowohlt-Verlag, ist ein durch und durch gelunges, wortstarkes (mehr als 600 Seiten) Werk, das auch (oder vor allem) jüngeren Lesern erzählt, welchen Stellenwert die Rockmusik in den 60er und 70er Jahren hatte und wie sehr sie (an der Seite stets der Rolling Stone) die Gesellschaft geprägt hat. Wenner hätte wissen müssen, dass sein Narzissmus immer wieder durchbrechen muss, aber wer will sich selber schon so dargestellt sehen? Im Vorwort schreibt Hagan, dass Jann Wenner ein Barbar sei, „dessen Gier nach Geld, Drogen und Sex drohte, seinen scharfen Intellekt zu überholen“. Die Analyse scheint stimmig und prinzipiell ist diese Biographie mit dem Wort „schonungslos“ unzureichend beschrieben. „Sticky Fingers“ ist eine Buch gewordene Ausgabe des Rolling Stone Magazin – voller spannender Geschichten, schillernden Erlebnissen, Topstars, die sich die sprichwörtliche Klinke in die Hand geben. Jann Wenner würde es abfeiern – wenn er nicht im Mittelpunkt all der Dramen stehen würde.

 

Fazit: Ein Buch wie die Bibel (der Popkultur) – voller Sex, Drugs, Rock ’n‘ Roll und Narzissmus 

 

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