Capus: Eine Frage der Zeit

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Drei Männer und fünftausend Holzkisten mit Bauteilen der „Götzen“, dem schönsten und größten Dampfschiff, das bis dato die Papenburger Meyer Werft verließ, steuern im Winter 1913 das Ufer des Tanganikasees in Kigoma/Deutsch-Ostafrika an. Dort, „tief im Innern Afrikas, südlich des Kilimandscharo und nahe den Nilquellen im sagenumwobenen Mondgebirge“ sollen Schiffsbaumeister Anton Rüter, der Handwerksbursche Hermann Wendt und Nieter Rudolf Tellmann das zischende Ungetüm aufbauen, damit es einmal der Seevorherrschaft durch Kaiser Wilhelm II diene. Auf diesem Grundstein – einer wahren Geschichte folgend – baut Alex Capus eine unromantische Kolonialgeschichte aus der Perspektive dreier Außenseiter, deren Illusionen und Prinzipien schmerzhaft schwinden. Mit der Genauigkeit eines ehemaligen Journalisten und der Spitze des Satirikers, aber ohne die Geschehnisse ins Lächerliche zu rücken, zeichnet der in der Schweiz beheimatete Autor seine Figuren und die gesamte Szenerie nach historischem Vorbild, wie es seine Leidenschaft ist. Schwer, fakten- und ereignisüberladen, gar mehrdimensional ist der Roman dabei keinesfalls, vielmehr seicht, schnell eingängig und unterhaltend. Dramatische Höhepunkte wird der Leser möglicherweise missen, dafür charmante Einblicke in gesellschaftliche Strukturen dieser Zeit gewinnen. Nur, wer die starke Typisierung und das Groteske nicht augenzwinkernd empfangen und sich nicht von Capus´ Schreibe berieseln zu lassen vermag, wird der Taz zustimmen, wenn Sie „Eine Frage der Zeit“ zum Kolportageroman verreißt. Den Pressespiegel im Querschnitt betrachtet aber findet der Rezipient vehementen Widerspruch: „herrlich“, „witzig“ und „präzise“! Im November 2009 als btb-Taschenbuch erschienen, 9 Euro.

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