Children of Bodom-Gründer und Ausnahmegitarrist Alexi Laiho ist Ende des Jahres nach langen schweren gesundheitlichen Problemen verstorben. Gitarrist Sebastian Dracu hat für den RocknRoll Reporter einen Nachruf auf den Finnen verfasst.
Mit viel Optimismus wurde das „Horror-Jahr“ 2020 erst vor wenigen Tagen verabschiedet. Klar, jedes Jahr wird es Katastrophen und Tragödien geben. Letztes Jahr verlor die (Rock)Gitarren-Szene in Eddie Van Halen einen Großmeister, die Nummer zwei hinter der unantastbaren Legende Jimi Hendrix, würden viele (auch ich) behaupten.
Mit meinen 28 Jahren hab ich leider keinen der beiden in ihrer Hochzeit erleben dürfen, die Helden „meiner Zeit“ waren andere: Zakk Wylde, Steve Vai und vor allem einer: Alexi Laiho. Der kleine Finne mit der zackigen Randy Rhoads und dem „Straight-in-die-Fresse“-Sound seiner EMG Pick-Ups, hat meinen jugendlichen Musikgeschmack befeuert wie kein Anderer. „Wildchild“ Alexi Laiho war trotz seiner 170cm und ein paar Zerquetschten „larger than life“. Wild war der finnische Saiten-Hexer in jeglicher Auffassung. Seine Riffs waren eine Fusion aus Yngwies’ und Randy Rhoads’ neo-klassischem Einfluss, gepaart mit einfallsreichen Tricksereien á la Eddie Van Halen (Whammy-Bar Action ohne Ende!). Doch Laiho war ein bisschen anders als die ganzen Jungs vor ihm. Sein Sound war viel roher und zerstörerischer. Sein hohes Geschrei hat dem ganzen COB Sound noch eine aggressivere Note verpasst, als dem Sound der ganzen anderen Todesmetal-Bands.
Aber Todesmetal waren COB nie so wirklich. So richtig Melodic-Death waren sie auch nur in den ersten 2-3 Alben. Mit „Hatecrew Deathroll“ wurde der COB Sound endgültig etwas brachialer, moderner und innovativer. Wenn der Melodic-Death bis dahin ein Baseballschläger war, dann war Laihos’ Zutun ab Anfang der 2000er, die Idee Stacheldraht um den Schläger zu wickeln.
Neben seinem musikalischen Einfluss hat Laiho aber auch noch viel mehr in den Metal zurück gebracht: einen echten f*cking Rockstar-Gitarrenhelden. Wie von der Tarantel gestochen, mit der Gitarre im Schritt hängend, ist Laiho über die Bühne gerannt, einen Kurzen nach dem anderen runter kippend, „YAAAHYOOOW!“ ins Mikrofon brüllend – auch wenn hier und da mal eine Riff leicht vergeigt wurde (wir verkaufen schließlich Rock’n’Roll, keine Noten).
Die Studioreporte aus dem verschneiten Finnland haben einen ganz neuen Rock’n’Roll-Spirit via Youtube in das Herz vieler junger Fans getragen. Oh Gott, ein Leben wie Alexi Laiho, von nichts anderem hab ich geträumt im zarten Alter von 17-18 Jahren. Jungs haben sich die Fingernägel schwarz lackiert, mit Cajal geschminkt, die Haare geglättet und Gitarre geübt bis zum Umfallen. Kitschig? Nein, nein. Das war sexy! Laiho, war sexy und verdammt cool. Es waren wundervolle Zeiten. Inzwischen (10-15 Jahre später) ist die Randy Rhoads gegen eine Telecaster eingetauscht, die Zerrerpedal längst vertickt und auch das Glätteisen ist längst erloschen. Auf einmal wird es 2021 und mit der Meldung vom Tod von Alexi Laiho kommt alles wieder zurück. Klar, irgendwann geht alles mal vorbei. Gesund war Laihos’ Lebensstil sicher nicht und Rockstars haben halt eh eine eher kürzere Lebenserwartung. Aber mit jedem großem, legendären Rockmusiker stirbt auch etwas von seinem Genie, mit dem er die Welt gesegnet hat – es sei denn, jemand hält ihn am Leben. Ich bin so dermaßen sicher, dass sich meine Unterarme spätestens nach 2 Minuten verabschieden, versuche ich im Laufe der Woche nochmal den COB Katalog anzugreifen. Nicht desto trotz werd ich mir ein paar Minuten (hoffentlich werden daraus Stunden) nehmen, mich hinsetzen und versuchen eine kleine Zeitreise zurück zu machen. Zurück in die Zeit in der ein kleiner finnische Gitarrenheld mir so viel Motivation und Hoffnung gegeben hat, selbst ein großer, gefährlicher Rockstar zu werden. Als einer von vielen der jüngeren Gitarristen, die weder Clapton, Hendrix, Beck, Van Halen, Dimebag oder sonst wen in ihrer Blüte erlebt haben, sag ich Danke schön und Ruhe in Frieden Alexi Laiho. Klar mach ich mich damit zu einem der „Mimimim-mein-scheiß-war-viel-cooler-damals“-Typen wenn ich sage, dass Laiho der letzte richtig geile, innovative Metalklampfer der letzten 20 Jahre war, aber meinem Empfinden nach muss das jetzt einfach mal raus. Trinkt verantwortungsvoll, übt wie verrückt und lackiert euch vielleicht ab und zu mal noch die Nägel, Alexi hätte sich drüber gefreut. Ich für meinen Teil werde mich darüber freuen, wenn der nächste bluesy Rock-Purist in meinem Publikum ein ästhetisches Problem mit einem dimished Sweep, oder einem brachialen Single-Note Tapping Trick haben wird, weil er Nichts von dem verrückten Finnen aus Espoo weiß, der mir so viel bedeutet hat.
Rest easy Wildchild.
HIER gibt es Bilder von 2018 mit Children of Bodom!
Master Chief, Junge für alles, Fotograbenkämpfer und Textakrobat. Herausgeber und Erfinder.