
Mit dem vierten Teil der Fluch-der-Karibik-Reihe und vermutlich dem Auftakt einer zweiten Trilogie – denn “Fremde Gezeiten” impliziert geradezu den Übergang zu Part 5 – erwirken Produzent Jerry Bruckheimer und der neubesetzte Regisseur Rob Marshall mehr, als der Zuschauer hätte erwarten können: Nach der Disney-Erfolgsstory von 2003 liegt erstmalig ein würdiger Nachfolger vor.
Der aalglatte Orlando Bloom und die eigentlich nur im ersten Teil einschlagende Keira Knightley (als Will Turner und Elisabeth Swann) und damit ihre zuletzt ausgelatschte (und im dritten Teil auch endgültig abgeschlossene) Liebesgeschichte sind raus – und schaffen Platz für Frischfleisch: Angelica. Die rassige Penélope Cruz gibt dem kultigen Jack mit ihr eine prickelnde Gegenspielerin und harmoniert zugleich rührend mit ihm. Erhalten geblieben sind dem 140-minütigem Streifen der sympathische Joshamee Gibbs (Kevin McNally) und der grandiose Geoffrey Rush als Barbossa. Captain Jack nippt bloß noch am Rum, statt ihm gänzlich zu verfallen, und kann nach so vielen Jahren noch immer als skurriler Alleinunterhalter jede noch so in die länge erstreckte Situation retten. Kleines Manko für echte Fans: Statt des tuntig klingenden Marcus Off spricht David Nathan den deutschen Jack, was widerum aber auch dessen hier angekratzte “normalere” Facette unterstreicht. Zurückhaltend süß ist die Liebelei zwischen Missionar Philip (Sam Claflin) und der Meerjungfrau Syrena (Àstrid Bergès-Frisbey), der zugunsten ihres blassen Teints während des Drehs niemals ein Sonnenbad auf Hawaii erlaubt wurde.
Apropos Meerjungfrauen: Der barbarische Angriff der so anmutig wirkenden Schönwesen erschreckt mehr als jeder Zombie, daneben gibt es natürlich eine aktionsreiche Schlussszene, sonst aber geht es für eine Piratengeschichte recht kampfruhig zu in “Fremde Gezeiten” und vor allem das scheint das Erfolgsgeheimnis zu sein: In allem Unsinn steckt endlich wieder Sinn. Die Wirrungen und Verirrungen des zweiten und dritten Plots sind Geschichte und auch die 3D-Effekte sind mäßig und nicht filmführend eingesetzt, wenn sich auch über den grundsätzlichen Einsatz streiten lässt – aber daran sollte sich der turnusmäßige Kinogänger mittlerweile gewöhnt haben. Es gibt ein Wiedersehen mit Keith Richards als Jacks Vater Captain Teague. Und der Drehort Hawaii, der ist irgendwie ebenso schön wie die Karibik.
Wiederholt werden kann der Auftaktsboom sicher nie, irgendwie haben die Macher aber doch am Jungbrunnen genascht. Und können so oder so den weltweit eingespielten 2,7 Millionen sicher noch ein paar Dollar oben draufpacken. Auf geht´s auf große Fahrt – ab Donnerstag, 19. Mai, überall im Kino!

Master Chief, Junge für alles, Fotograbenkämpfer und Textakrobat. Herausgeber und Erfinder.