Irgendwie vermisse ich die Zeiten, in denen man als Metal-Hörer entsetzt angeschaut wurde. Metal ist Mainstream geworden, Motorhead und Iron Maiden Shirts verkaufen sich bei H&M wie geschnittenes Brot und kaum ein Dokumentarfilmer mehr, der nicht schon einmal irgendwas mit lauter Musik gedreht hat. Kurzum: Metal ist gesellschaftsfähig geworden. Christian Krumm hat davon ab aber immer gerne den Blick auf den Rand, die Szene, den Untergrund gerichtet. In “Kumpels in Kutten” (Kurz-Review HIER) etwa zeichnet er ein liebevolles Bild des Metals im Ruhrpott. Mit “At dawn they sleep” hat er sich an ein anderen literarisches Genre ausgesucht: den Roman.
Der Titel ist natürlich von Slayer geliehen. Was mich vor der Lektüre des Buches gewundert hat:Im Internet finden sich fast ausschließlich nichtssagende Promotexte zu “At dawn they sleep”, in denen man nicht einmal Ansätze der Geschichte erfährt. Da fragt man sich natürlich gleich, wie sich so ein Roman verkaufen soll. Verdient hätte es Krumms (Roman-) Erstling nämlich durchaus.
Es geht um den Autor Alioscha, der vom Metal unbefleckt ist und einen Bericht über ein Metal-Konzert schreibt. Das ist quasi die Initialzündung, in die Szene reinzugleiten. Er trennt sich von seiner Freundin und findet eine Metalbraut (Maria), die ihm den Weg in die Szene ebnet und dort mehr oder weniger begleitet. Dort trifft er auf die Band “Dawn of Devastation”, die er fortan schreibend begleitet.Er erlebt Höhen und Tiefen, Liebe und Streit innerhalb der Band (“Almost Famous” ick hör dir trapsen). Viel mehr verrate ich dann aber doch nicht an dieser Stelle. Es ist auch eine Menge los in “At dawn they sleep”. Manchmal zu viel. Es gibt wahnsinnig viele Nebenplots und Charaktäre, die mal mehr, mal weniger schön ausgeleuchtet werden. Rein vom schriftstellerische Aspekt macht Krumm einen guten Job, schreibt flüssig aber nicht unterfordernd.
“At dawn they sleep” ist mitnichten ein Metalroman, eher ein Liebesroman, der zufällig im Metalgenre spielt, ein Roman über Beziehungswirrwarr, Freundschaften und Veränderungen, ein Roman, der es aber nicht schafft, die ganzen Klischees des Metal auszulassen, ob sie nun wahr sind oder nicht.
Letztlich trägt Christian Krumm in seinem Buch auch zur Schau, das Metal etwas ganz Besonderes ist, eine Musik, die über allen anderen zu ragen vermag, die Emotionen vermittelt, wie keine andere Musikrichtung. Hier möchte man den Autor in den Arm nehmen und brüderlich ins Ohr flüstern: Es wäre so schön, wenn das noch so wäre (man siehe meine Einleitung oben). Zum Roman gibt es übrigens einen Soundtrack, für den 22 Bands jeweils einen ihrer eigenen Songs zur Verfügung gestellt haben (etwa Darkness, Crossplane, The Very End, Gloryful oder Path Of Golconda).
Fazit: Netter Pausenschmaus im Metalgewand
Master Chief, Junge für alles, Fotograbenkämpfer und Textakrobat. Herausgeber und Erfinder.