Das Setting von “Kingdom Come: Deliverance” des tschechischen Entwicklers Warhorse ist erfrischend zurückhaltend und anders. Keine Magie, keine Drachen oder sonst ein fiktionales Getier, statt dessen hartes Mittelalter ohne den Helden, der die Welt retten muss. Allein das ist ein Reinschnuppern in das Spiel wert, dessen Entwicklung immerhin rund 36 Millionen Dollar gekostet hat. Das Spiel erinnert dabei natürlich dennoch an Skyrim und Konsorten, auch wenn deutlich weniger Action herrscht.
Das Game hat die historischen Ereignissen des Europas im frühen 15. Jahrhundert als Thema und spielt im mittelalterlichen Böhmen. Als Spieler ergreift man die Rolle des Schmiedesohns Heinrich, der ein unbeschwertes Leben in der Ortschaft Skalitz führt und seinem Vater hilft, ein meisterhaftes Schwert zu schmieden. Dann taucht die Invasionsarmee Sigismunds auf, unterstützt durch angeworbene Kumanen, brennt alles nieder und richtet ein Massaker unter der Bevölkerung an. Heinrichs Eltern sterben bei diesem Angriff. Knapp schafft er selbst die Flucht auf die Burg Talmberg. Von da an entspinnt sich eine spannende Geschichte.
Der Realismus und die Geschichtstreue der Epoche sind beeindruckend und markieren vielleicht einen Wendepunkt in der Entwicklung künftiger Spiele, wenn Kingdome Come auf Dauer erfolgreich bleibt. Das steht nämlich noch in den Sternen, denn so hübsch das Spiel ist, so unfertig wirkt es an einigen Stellen.
Da bricht der Ton auf einmal ein, hakt es in der wunderschönen Grafik. Hier ist das Kind aber noch nicht in den Brunnen gefallen, ein weiterer großer Patch könnte das Spiel schnell polieren. Spielerisch ist ohnehin (fast) alle in Butter. Das Kampfsystem ist gelungen und völlig anders als bei vergleichbaren Spielen (und deshalb auch richtig schwer), die Quest (rund 40 Stunden sollte der Hauptstrang dauern) sind interessant und abwechslungsreich. Immer einmal wieder fühlen sich die wenigen Kämpfe leider unfair an, weil die KI scheinbar deutlich überlegen ist. Warhorse will so wahrscheinlich klar machen, wie schwer es wirklich war, einen Schwertkampf zu führen, doch, wenn man wieder einmal blutend zu Boden geht ohne zu wissen, was man hätte besser machen können, kommt ein Frustgefühl auf. Die Balance könnte also verbessert werden. Schließlich gibt es auch Gegner, die man ohne große Mühe in den Boden rammt. Interessanterweise sind die Kämpfe aber eher ein Nebenaspekt und Handeln, Aufträge erfüllen oder Jagen macht deutlich mehr Spaß. Apropos Schwierigkeitsgrad: Es gibt KEINE Option zum Quicksaven. Das Spiel speichert selbstständig an viel zu wenigen Stellen, der Tastenakrobat selber kann nur manuell speichern, wenn er einen Retterschnaps trinkt. Diese sind aber äußerst rar, so dass man nach einem dämlichen Tod schon einmal 30 Minuten verliert. Das ist umso ärgerlicher, weil man aus Versehen gerne mal fatale Fehler macht. Hat man etwa einen Henker überredet einen benötigten Ring herauszugeben und rempelt ihn dann ungeschickt beim Verlassen seines Hauses an, greift der Gute schnell zum Schwert. Game over…
Trotz dieser Bugs (von denen die wenigsten dauerhaft auftreten) macht Kingdome Come enorm Spaß und ist eine wohltuende Abwechslung im Fantasy-Rollenspiel-Brei.
Fazit: Spannende Quests, ein etwas anderer Ansatz und einige Bugs (wenn die weg sind, ist es ein 5/6-Game)
Master Chief, Junge für alles, Fotograbenkämpfer und Textakrobat. Herausgeber und Erfinder.